„Sie wollen doch kein Rennpferd einsperren…?

Interview mit Roger David anlässlich des 20-jährigen windream-Firmenjubiläums, erschienen in: DI Digital Imaging - Das Document Channel Magazin, Juli-August 4-2021

Roger David, CEO windream GmbH
Roger David: „Besonders stolz bin ich darauf, dass die windream GmbH von ihrer Gründung im November 2001 bis heute keinen einzigen Euro Kredit benötigt hat!“

Großes Interview mit unserem Geschäftsführer Roger David

windream-Titelstory im Fachmagazin „Digital Imaging“

Vor genau 20 Jahren hat Roger David die windream GmbH aus der Taufe gehoben. Das Softwarehaus mit Sitz in Bochum hat sich seitdem zu einem der führenden Anbieter von ECM-Lösungen entwickelt und bietet seinen Channel-Partnern und Kunden ausgereifte Lösungen zur Digitalisierung ihrer Dokumentenprozesse. Wir trafen David Mitte Juni in Bochum, und er nahm uns mit auf eine kurzweilige Reise durch zwei Jahrzehnte windream. Der Bogen spannte sich von Excel-Tabellen an Wochenenden über das dreifach falsche Timing bei der Firmengründung bis hin zu Babyrasseln in Kundenpräsentationen und dem entscheidenden Unterschied zwischen BioNTech und Pfizer. Doch lesen Sie selbst.

Wenn Sie an die Anfänge der von Ihnen 2001 gegründeten windream GmbH zurückdenken, Herr David: Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben, und wie würden Sie die Startphase beschreiben?

Die ersten drei Jahre waren wirklich hart und haben uns viel abverlangt: Das war auch mit Schmerzen verbunden und hat mich und mein Team viel Herzblut gekostet.
Wir sind gestartet mit einem vierköpfigen Management-Team, in dem die zentralen strategischen Säulen der windream GmbH jeweils einer Person zugeordnet waren: Edwin Sembritzki kümmerte sich um den Partnervertrieb, Werner Schlieper um die Integrationspartner, Dirk Kimmeskamp verantwortete die Finanzen und mein Bereich war der Direktvertrieb. Später kam dann noch Jörg Dickmann dazu, der sich um das Consulting kümmerte, und das Führungsquintett komplettierte.
Meine Wochenenden zu dieser Zeit waren immer geprägt davon, dass ich in Excel auf wöchentlicher Basis die aktuellen Zahlen unter die Lupe genommen habe. Monatlich haben wir uns als Führungsteam vor die Mitarbeiter gestellt und ihnen in aller Transparenz die Unternehmensentwicklung erläutert. Das haben wir anfangs monatlich gemacht, später haben wir auf einen Quartalsturnus umgestellt.

Stichwort strategische Säulen: Wie würden Sie diese in wenigen Sätzen zusammenfassen?

Wir wollten unsere Technologie auf möglichst breiter Basis ausrollen und uns nicht nur auf bestimmte Branchen fokussieren. Zudem haben wir von Anfang an auf ein hybrides Vertriebsmodell gesetzt, das die drei Bereiche Direktvertrieb, Partner-Kanal und Integrationspartner umfasst.

Wie wurden und werden wichtige Unternehmensentscheidungen in Bochum getroffen: Alle diskutieren eifrig mit, und am Ende sagt der Chef, wo`s langgeht…?

Sicher nicht. Wir treffen in der Regel Mehrheitsentscheidungen: Da reichen dann drei Stimmen, selbst wenn ich anderer Meinung bin. Mir war es immer sehr wichtig, dass wir vor allem sachbezogene Entscheidungen treffen: Ja, da wird hart argumentiert und gerungen – aber das ist auch gut so.
Meine Devise zur Unternehmensführung lautet: Divide et impera – teile und herrsche! (lacht)  „Natürlich im wörtlichen und nicht im historischen Sinn.“)‚ Ordre du mufti‘ ist nicht so meine Sache…

Besonders stolz war und ist man in Bochum immer noch auf die nahtlose Integration der windream ECM-Lösung ins Windows-Betriebssystem. Wenn schon Bill Gates bei vielen Anwendern Albträume verursacht, so wollten Sie zumindest bei den IT-Verantwortlichen dafür sorgen, dass diese dank windream unbeschwerte Träume haben – so stellt sich zumindest der Journalist die Namensfindung vor. Was ist das so Besondere an diesem Ansatz?

Normalerweise ist ECM eine normale Anwendung neben den Fachanwendungen und Office Produkten. Um die zahlreichen Vorteile eines strukturierten Dokumentenmanagements nutzen zu können, müssen sich die Anwender normalerweise komplett umstellen, da die Dokumente zuerst aus dem ECM herausgeholt und der Fachanwendung übergeben werden müssen. Nach einer Änderung muss das Dokument dann wieder in das ECM übernommen werden. Dieser Vorgang nennt sich check-out und check-in und löst bei den Anwendern keine Begeisterung aus, wenn er nicht automatisch erfolgt.
Dann kam uns die zündende Idee: Warum machen wir die windream-Ablage nicht einfach zu einem Windows-Laufwerk? Das war die Geburtsstunde der VFS-Technologie (Virtual File System). Und es war die beste Idee seit der Erfindung von geschnitten Brot. Diese geniale Produktidee war zugleich der Ursprung für die Firmengründung der windream GmbH.
Damit hatten wir von Anfang an die Nutzer auf unserer Seite – und es ist heute noch so, dass die Anwender begeistert sind, wenn sie unser Produktkonzept präsentiert bekommen. Damals, Anfang der 2000er-Jahre, waren die IT-Spezialisten noch die „Meister“ in den Unternehmen, nach der Redewendung: „Knöpfchen drücken auf dem Computer dürfen nur wir! Die Experten .“ Dagegen war unser Ziel von Anfang an, die Anwender mitzunehmen und ihnen das Dokumentenmanagement so einfach wie möglich zu machen. Diese Rechnung ist aufgegangen.
Mit dem neuen windream Dynamic Workspace haben wir jetzt – 20 Jahre später – wieder einen solchen Meilenstein gesetzt!

Anfang der 2000er-Jahre schwebte die IT-Branche in völlig anderen Sphären, allein die CeBIT hat in ihrem Rekordjahr 2001 mehr als 800.000 Menschen zum traditionellen Frühlingserwachen in Niedersachsens schmucke Landesmetropole Hannover gelockt. Hätte man als Software-Anbieter damals überhaupt so viel auf einmal falsch machen können, dass man nicht trotzdem irgendwo oben auf der digitalen Welle mitgeschwommen wäre…?

Das sehe ich völlig anders! Im Jahr 2000 gab es bekanntlich einen riesigen Internet-Hype: Entweder Sie sprachen Web, oder Sie waren irrelevant. Dann ist diese gigantische Blase über Nacht geplatzt, und der Neue Markt war vom einen auf den anderen Tag tot. Selbst die weltweite Finanzkrise 2008 hat uns keinen so massiven Abschwung beschert wie das Platzen der Internet-Blase in 2001. Im Zuge dessen haben auch einige ECM-Anbieter – durchaus namhafte – die Segel streichen müssen…
Und dann kam noch 9/11 mit allen bekannten Konsequenzen.
Fazit: 2001 war alles andere als ein gutes Gründungsjahr! Alle waren total ernüchtert und sehr vorsichtig – und die Gründung eines Software-Unternehmens kam wirklich dem Ritt auf einer Rasierklinge gleich.

Wie hat es Sie in die Selbstständigkeit verschlagen: Kindheitstraum, Erleuchtung in der Garage, oder einfach mal ausprobiert…?

Tatsächlich war es schon immer mein Wunsch, eine eigene Firma zu gründen. Ich habe beständig darauf hingearbeitet: Nach meinem Informatikstudium habe ich erst einmal Praxiserfahrung in einem kleinen Unternehmen gesammelt, in dem jeder praktisch alles machen musste – oder besser – konnte. Das war eine gute Schule für mich.
Prägend war damals die Aussage eines Freundes, der sinngemäß zu mir sagte: „Für den Sprung in die Selbstständigkeit gibt es nie den richtigen Zeitpunkt: Entweder Du wagst es, oder Du lässt es! Also habe ich meine Firma gegründet – genau zwischen der Geburt meines Sohnes und meiner Tochter. Einen besseren Zeitpunkt hätte ich mir wohl kaum aussuchen können…

Hand aufs Herz: Hätten Sie sich damals – im März 2001 – vorstellen können, dass die CeBIT 19 Jahre später tot sein würde und es überhaupt keine Messeplattform mehr für die ECM-Branche gibt?

Die CeBIT damals war brachial. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich auf meiner ‚schlimmsten‘ CeBIT gleich zwei Paar Schuhe verschlissen habe…
Doch was hat den Erfolg der CeBIT wirklich ausgemacht? Alleine die Ballung von so viel Technologie auf engstem Raum? Nein. Ich denke, dass in der ungewöhnlichen Kombination aus Consumer- und B2B-Messe das Geheimnis des Erfolgs lag. Zwar haben sich die B2B-Anbieter Jahr für Jahr über die Heerscharen an ‚Jägern und Sammlern‘ echauffiert, die ihre Messestände verstopft haben – zugleich zog es die Herren in ihren grauen Anzügen in schöner Regelmäßigkeit in die Hallen, in denen es blinkte und die neuesten Spielekonsolen präsentiert wurden.
Insofern war es meines Erachtens äußerst unklug, dass man sich in Hannover zuletzt nur noch aufs B2B-Geschäft fokussiert hat: Die CE-Anbieter sind dann schnell nach Las Vegas abgewandert, die Mobilfunkbranche nach Barcelona etc. Übrig geblieben sind nur noch die B2B-Themen, was die Messe letztlich dröge und langweilig gemacht hat.

Ist nicht gerade der Vertrieb abstrakter Produkte wie von B2B-Software in besonderem Maße auf den persönlichen Kontakt und damit auch auf Messen angewiesen? Insofern ist es doch jammerschade, dass die ECM-Branche nach dem Exitus von CeBIT und IT & Business keine gemeinsame Plattform mehr hat…

Unsere Lösungen sind zunehmend komplexer geworden, und der Vertrieb von B2B-Produkten ist in der Tat komplex. Für Entscheider, die sich rund um das aktuelle ECM-Angebot schlau machen wollten, hat die CeBIT eine ideale Plattform geboten: Eine solche Konzentration von Anbietern auf engstem Raum gibt es nur auf Messen. Das fehlt definitiv!

Als ob das nicht genug wäre, hat die Corona-Pandemie dann auch noch allen individuellen Veranstaltungen, Roadshows und Partnerkonferenzen den Garaus gemacht. Können die aus der Not geborenen digitalen Formate, die seitdem wie Pilze aus dem feuchten Waldboden schießen, echten Präsenzveranstaltungen auch nur ansatzweise das Wasser reichen…?

Fragen Sie mal unsere Kollegen im Vertrieb, was Sie von Teams-Präsentationen halten, bei dem sie im Hintergrund abwechselnd die Babyrassel, eine röchelnde Kaffeemaschine oder den Fernseher hören – selbst jedoch ins Leere hineinsprechen. Es ist der blanke Horror! Aus Interaktion wird One Way-Kommunikation, der soziale Kontakt bleibt völlig auf der Strecke.
Natürlich gibt es auch Argumente für digitale Formate: Für die Teilnehmer sind diese bequem und niedrigschwellig, zudem ist der Zeit- und Kostenaufwand für alle Beteiligten viel geringer. Insofern haben sicher beide Formate ihre Berechtigung. Ich bin aber überzeugt, dass Messen wieder eine Renaissance erleben werden, wenn die Corona-Pandemie erst einmal ganz der Vergangenheit angehört.

Gab es in den harten ersten Jahre der Firmengründung nie Momente, in denen Sie Unternehmer-Kollegen, die auf Ruhr-Kohle, Rollrasen oder Bio-Eier statt Software gesetzt hatten, um ihre rabenschwarzen, grasgrünen oder goldgelben Produkte beneidet haben…?

Keine Sekunde! Ich bin Informatiker von ganzem Herzen und will etwas bewegen – Sie wollen doch kein Rennpferd einsperren…?
Wer sich als Unternehmensgründer auf solche Art selbst in Frage stellt, der wird es auch nicht schaffen. So viele haben mir 2001 nach dem Platzen der Dotcom-Blase gesagt: Das mit der Firma könnt ihr vergessen, das wird nichts. Dennoch habe ich fest an meine Idee und die Firma geglaubt.

Was hat Sie in den letzten 20 Jahren am meisten Energie und Nerven gekostet?

Roger David: (lacht) Meine Kinder! 1999 wurde mein Sohn geboren, 2001 meine Tochter. In genau dieser Zeit habe ich die Firma aufgebaut: Das war also ein dreifach falsches Timing…Es ist dennoch gut gegangen, weil ich eine Frau habe, die voll und ganz hinter mir stand und weiterhin steht.
Im Business hat mich die DSGVO viel Nerven gekostet: Da wurden diffuse Ängste geschürt, ohne dass es eine vernünftige Aufklärung gab. Im Grunde hatte die Verordnung klar auf die großen Tech-Konzerne abgezielt und nicht auf mittelständische Unternehmen. Das war schon eine gewaltige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, bei der am Ende oft die Falschen getroffen wurden.

Und was hat Sie am meisten angespornt und motiviert? Software zum digitalen Managen von Dokumenten zu entwickeln, ist ja nicht per se eine Aufgabe, die reflexartig Begeisterung und Entzücken auslöst…

Das dachte ich auch, als ich mich erstmals mit dem Thema beschäftigte. Dokumentenarchivierung ist staubtrocken – war damals mein Eindruck.
Je tiefer ich jedoch ins Thema eintauchte, desto spannender fand ich es: Da merkte ich plötzlich, dass sich mit einer ECM-Lösung die Unternehmensprozesse verbessern lassen. Außerdem habe ich in den letzten 20 Jahren so viele spannende Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen kennengelernt – das war alles andere als langweilig.

„Unsere VFS-Technologie (Virtual File System) war die beste Idee seit der Erfindung von geschnittenBrot. Diese geniale Produktidee war zugleich der Ursprung für die Firmengründung der windream GmbH. Damit hatten wir von Anfang an die Nutzer auf unserer Seite!“

Roger DavidCEO windream GmbH

Wenn Sie die windream GmbH mit Ihrer Erfahrung von heute nochmals neu aufsetzen könnten, Herr David: Was würden Sie grundlegend anders machen, und worauf sind Sie besonders stolz, dass Sie es genau so und nicht anders gemacht haben?

Ich würde bei einigen Entscheidungen weniger vorsichtig agieren. Werfen wir einen Blick auf den Börsenabsturz im März 2020, nachdem klar geworden war, dass Corona sich zu einer globalen Pandemie entwickeln würde: Da haben wir uns bewusst entschieden, gegen den Trend antizyklisch zu investieren: Wir haben unser Vertriebsteam ausgebaut, in einen eigenen Videoraum mit modernster Technologie investiert etc. Und es hat funktioniert. Das hätten wir genauso schon 2008 bei der Finanzkrise machen können.
Besonders stolz bin ich darauf, dass die windream GmbH von ihrer Gründung im November 2001 bis heute keinen einzigen Euro Kredit benötigt hat!

Wie kommt es, dass deutsche Software-Unternehmen eine so starke Position im globalen ECM-Markt einnehmen? Könnte es daran liegen, dass Deutsche sich von ihrer Veranlagung her magnetisch von regulatorischen Ungetümen wie der GoBD, DSGVO etc. angezogen fühlen – zumindest deutlich stärker als Sizilianer, Kubaner oder Neuseeländer…?

Das liegt zum einen an der sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit. Zum anderen war und ist Deutschland traditionell ein Hochtechnologie-Land: Deutsche Ingenieure stehen weltweit für exzellente Technologien sowie höchste Qualitätsstandards. Das gilt auch für die Entwicklung von Software-Lösungen und damit die ECM-Branche.
Auf der anderen Seite sind wir aber auch bekannt für ‚monströse‘ Entwicklungen wie DOMEA – ein regulatorisches Ungetüm, das gefühlt zwölf Aktenordner damit füllte, was eine ECM-Software können muss. Schon das Aussprechen der Langfassung von DOMEA – Dokumentenmanagement und elektronische Archivierung im IT-gestützten Geschäftsgang – grenzt an Körperverletzung…

Habe ich da eben richtig gehört – Hochtechnologie-Land Deutschland? Das mag für Betonsägen, CNC-Fräsmaschinen und Wasserkraft-Turbinen gelten, in punkto Internet-Bandbreite lässt uns aber doch jede Bananenrepublik ziemlich alt aussehen…

Das ist in der Tat ein Punkt, wo wir unserem Anspruch hinterherhinken; auch das werden wir auf Dauer sicherlich ändern.

Wie kann das Land der Dichter, Denker und Bedenkenträger aus dem bloßen Verwalten vormaliger Höchstleistungen heraus in eine neue Kultur mutigen, zupackenden Handelns hineinkommen? Weiß Frau Merkel, dass man einen Fußball WM-Titel nicht verteidigen, und schon gar nicht verwalten, sondern bestenfalls zwei Mal gewinnen kann? Russland 2018 ist der beste Beleg dafür…

Das sehe ich völlig anders: Was die Deutschen auszeichnet, ist, dass sie zupacken und sich immer wieder am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Es gibt so viele mutige Unternehmer, die mit Leidenschaft und einem positivem Spirit nach vorne gehen. Das ist die große Stärke unseres Landes: der Mittelstand, der immer wieder neue Ideen und Geschäftsmodelle entwickelt und damit die Grundlage für unseren Wohlstand legt. Im Grunde wissen Konzerne wie Pfizer ganz genau, dass sie die Innovationskraft von mittelständischen Unternehmen wie BioNTech brauchen – deshalb kam es dann ja auch zu der Kooperation bei der Corona-Impfstoffentwicklung.

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